Pankreatitis

Die chronische Pankreatitis (CP) ist eine entzündliche Erkrankung der Bauchspeicheldrüse, die durch Schmerzen, Verdauungsstörungen (Maldigestion) und Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) gekennzeichnet ist. Als Folge der chronischen Entzündung kann sich ein bösartiger Tumor der Bauchspeicheldrüse (Adenokarzinom) entwickeln. Das Adenokarzinom der Bauchspeicheldrüse stellt weltweit die fünfthäufigste krebsbedingte Todesursache dar.

Alkoholmißbrauch ist in industrialisierten Ländern mit 70%-80% der Fälle die Hauptursache einer chronischen Pankreatitis. Weitere Ursachen sind Stoffwechselstörungen, anatomische Anomalien und autoimmune Erkrankungen. Ungefähr 5-10% der Patienten zeigen eine starke familiäre Häufung der Erkrankung und werden als erblich (hereditär) bedingt klassifiziert. In etwa 10-30% der Fälle findet sich keine auslösende Ursache (sog. „idiopathische“ Pankreatitis). Nach neueren Erkenntnissen weist jedoch ein erheblicher Prozentsatz dieser Patienten auch eine erbliche (genetische) Veranlagung für ihre Erkrankung auf.

Die Mehrheit der Patienten mit erblich bedingter Pankreatitis weisen Mutationen in Verdauungsenzymen oder deren Inhibitoren auf - d.h. in Molekülen, die die Wirkung von Enzyme hemmen. Es wird derzeit davon ausgegangen, daß die Pankreatitis Folge einer übermäßigen Aktivität der Verdauungsenzyme im Organ ist. Als zweiter wichtiger krankheitsverursachender Mechanismus wird im Weiteren ein durch Mutationen hervorgerufener Zellstreß (ER-Streß) angenommen wie er bei genetischen Veränderungen der Carboxypeptidase A1 (CPA1) beschrieben wurde.

Unsere Arbeitsgruppe untersuchte in den letzten Jahren zahlreiche Kandidaten-Gene mittels klassischer DNA-Sequenzierung (Sanger-Sequenzierung) und konnte dadurch mehrere neue Erbfaktoren identifizieren. Allerdings lassen sich in etwa 50% der Patienten keine Veränderungen der Erbsubstanz nachweisen: ein Hinweis auf das Bestehen weiterer krankheitsverursachender Gene.

Um diese Gene zu entdecken untersuchen wir ein großes Kollektiv von Kindern und Jugendlichen mit chronischer Pankreatitis mittels neuester Technologien (NGS, next generation sequencing). In der sog. Exom- bzw. Genom-Sequenzierung werden alle Gene bzw. die gesamte Erbsubstanz eines Patienten analysiert. Da Umweltfaktoren wie z.B. Alkoholkonsum kaum oder keine Rolle im Kindesalter spielen, stellt diese Altersgruppe eine ideale Studiengruppe dar. Dieser Ansatz wird zur Entdeckung neuer Stoffwechselwege jenseits des Verdauungsenzymsystems führen, die mit herkömmlichen genetischen Methoden schwer zu ermitteln wären.

Die funktionellen Auswirkungen der neu entdeckten Veränderungen untersuchen wir mittels moderner molekularbiologischer Methoden wie z.B. gentechnisch veränderten Eiweißmolekülen (sog. rekombinante Proteine) oder CRISPR/Cas9-Genomeditierung (sog. Genschere) verschiedener Zellinien.

Die Entschlüsselung der erblichen Grundlagen der idiopathischen bzw. hereditären Pankreatitis wird unser Verständnis dieser Formen der Pankreatitis wie auch unser Verständnis der alkoholisch bedingten Pankreatitis entscheidend beeinflussen und neue Forschungsansätze eröffnen, die in der Zukunft möglicherweise auch zu neuen Behandlungsmöglichkeiten führen.

Kooperationspartner

  • Prof. Miklós Sahin-Tóth (Boston University, Boston/USA)
  • Prof. Claude Férec (INSERM, Brest/Frankreich)
  • Prof. Atsushi Masamune (Tohoku University, Sendai/Japan)
  • Prof. Matthias Löhr (Karolinska Institutet, Stockholm/Schweden)
  • Prof. Giriraj Chandak (CSIR-Centre for Cellular and Molecular Biology, Hyderabad/Indien)
  • Prof. Mark Lowe (Washington University School of Medicine, St. Louis/USA)
  • Prof. Markus Schülke (Charité, Berlin)
  • Dr. Martin Seifert (Genomatix, München)

Ausgewählte Publikationen

Masamune A, Kotani H, Sörgel FL, Chen JM, Hamada S, Sakaguchi R, Masson E, Nakano E, Kakuta Y, Niihori T, Funayama R, Shirota M, Hirano T, Kawamoto T, Hosokoshi A, Kume K, Unger L, Ewers M, Laumen H, Bugert P, Mori MX, Tsvilovskyy V, Weißgerber P, Kriebs U, Fecher-Trost C, Freichel M, Diakopoulos KN, Berninger A, Lesina M, Ishii K, Itoi T, Ikeura T, Okazaki K, Kaune T, Rosendahl J, Nagasaki M, Uezono Y, Algül H, Nakayama K, Matsubara Y, Aoki Y, Férec C, Mori Y, Witt H, Shimosegawa T: Variants That Affect Function of Calcium Channel TRPV6 Are Associated With Early-Onset Chronic Pancreatitis. Gastroenterology 2020; 158(6): 1626-1641. Pubmed.

Rosendahl J et al. Genome-wide association study identifies inversion in the CTRB1-CTRB2 locus to modify risk for alcoholic and non-alcoholic chronic pancreatitis. Gut. 2017. doi: 10.1136/gutjnl-2017-314454. [Epub ahead of print] Pubmed (pdf file).

Fjeld K et al. A recombined allele of the lipase gene CEL and its pseudogene CELP confers susceptibility to chronic pancreatitis. Nat Genet. 2015;47(5):518-522. doi: 10.1038/ng.3249. Pubmed (pdf-Datei).

Witt H et al. Variants in CPA1 are strongly associated with early onset chronic pancreatitis. Nat Genet. 2013;45(10):1216-20. doi: 10.1038/ng.2730. Pubmed (pdf-Datei).

Rosendahl J et al. CFTR, SPINK1, CTRC and PRSS1 variants in chronic pancreatitis: is the role of mutated CFTR overestimated? Gut. 2013;62(4):582-92. doi: 10.1136/gutjnl-2011-300645. Pubmed

Rosendahl J et al. Chymotrypsin C (CTRC) variants that diminish activity or secretion are associated with chronic pancreatitis. Nat Genet. 2008;40(1):78-82. Pubmed (pdf-Datei).

Witt H et al. A degradation-sensitive anionic trypsinogen (PRSS2) variant protects against chronic pancreatitis. Nat Genet. 2006;38(6):668-673. PubMed (pdf-Datei).

Witt H et al. Mutations in the gene encoding the serine protease inhibitor, Kazal type 1 are associated with chronic pancreatitis. Nat Genet. 2000;25(2):213-6. PubMed